BERNHARD VETTER . DER BLOG

Nachfolge, die plötzlich nötig wird

6.06.2016

Buchtitel: Plötzlich und unerwartetNeulich las ich das Buch „Plötzlich und unerwartet. Der steinige Weg der Erben und Unternehmensnachfolger“ von Kirsten Schubert. Die Autorin ist Tochter eines erfolgreichen Self-Made-Unternehmers, welcher ein großes Unternehmen mit 5.000 Mitarbeitern aufgebaut und geführt hat. Bei einem Aufenthalt in seiner Berghütte stirbt er an Herzversagen.

Kirsten Schubert schreibt sehr bewegt ihre Odysee durch die vielfältigen Herausforderungen, die sich aus dieser Situation ergeben: für sie persönlich aber auch für das Unternehmen und die Erben desselben. Parallel dazu bringt sie immer wieder Erkenntnisse der Wissenschaft sowie Erfahrungen anderer Unternehmerfamilien ein. Beeindruckend ist, wie es ihr immer wieder gelingt, die Verbindung von emotionalen und kommunikativen Herausforderungen mit betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten aufzuzeigen. Ein Beispiel soll das verdeutlichen.

Eine Herausforderung die sie aufzeigt, ist das Testament, über das kaum gesprochen wurde. Erst mit 68 Jahren hat ihr Vater überhaupt das erste Mal mit seinen Kindern über das Testament gesprochen. Auch in die Erstellung des Testaments ist nicht mehr Energie geflossen, als unbedingt gerade notwendig. Die Abwehrhaltung, sich mit der eigenen Endlichkeit auseinanderzusetzen, mag dafür ein Grund gewesen sein. So wie das Testament erstellt war, spiegelte sich zugleich ein gewisses Misstrauen des Vaters in die unternehmerischen Fähigkeiten seiner Familienangehörigen wider. Mit mehr Austausch über die eigenen Erwartungen, die Erwartungen der Familienangehörigen, aber auch im gemeinsamen Durchdenken verschiedener Optionen der Erbregelung und des Unternehmensübergangs, wären nach dem Tod des Vaters möglicherweise einige Baustellen weniger zu bewerkstelligen gewesen. Im Ergebnis des nachlässigen Umgangs bei der Erarbeitung des Testaments drohte den Erben u. A. eine Dauertestamentsvollstreckung, also (vereinfacht) Entmündigung und Entmachtung im Unternehmen über einen Zeitraum von 30 Jahren.

In Anbetracht dieses Beispiels scheint es sehr sinnvoll zu sein, sich als Unternehmer rechtzeitig mit den Fragen zur Regelung des Nachlasses auseinanderzusetzen und zugleich in einen offenen Austausch darüber innerhalb der Familie zu treten. Es ist hilfreich, Klarheit über die Erwartungen, Rollen und Beziehungen (untereinander und im Hinblick auf das Unternehmen) herzustellen. Für alle Beteiligten hat dieser Prozess emotionale Dimensionen, erst recht für den Unternehmer selbst. 

Damit verbunden ist gleichermaßen die Auseinandersetzung mit der eigenen Perspektive: Was füllt mich aus, wenn ich nicht mehr Vollzeit-Unternehmer bin? Was bedeutet es für mich, das Unternehmen loszulassen? Dann wird möglicherweise die Auseinandersetzung mit der Nachlassregelung leichter. Was dem Unternehmen und der Familie gleichermaßen zugute kommt.

Literatur: Schubert, K. (2015) Plötzlich und unerwartet. Der steinige Weg der Erben und Unternehmensnachfolger. Murmann: Hamburg